Erste Schulklasse weltweit, die deutsches Zeitzeugnis zu Gesicht bekommt
Sichtlich stolz zeigten sich die Schülerinnen und Schüler der 3a, nicht nur, da sie als bislang einzige Klasse von ganz Liechtenstein am interaktiven Projekt „iWitness“ der University of Southern California (USC) teilnehmen konnten, sondern auch, dass sie weltweit die ersten waren, welche die Projekt-Premiere sehen durften.
Die Vorbereitungen für dieses besondere
oral history-Projekt begannen einige Wochen zuvor. Klassenlehrer Bandi Koeck bereitete seine zwölf
Schützlinge auf das sensible Thema „Shoah“ im RZG-Unterricht mit seinem
praxiserprobtem Unterrichtsmaterial vor, schliesslich sollte das meiste aus dem
Projekt mit der heute 95-jährigen Zeitzeugin Anita Lasker-Wallfisch herausgeholt werden. Initiator dieses
Projektes ist niemand geringeres als der US-amerikanische Filmemacher Steven Spielberg, der die USC Shoah Foundation im Rahmen des Films
„Schindlers Liste“ ins Leben rief. 55.000 Interviews wurden geführt. „Würde man
alle diese Filme hintereinander schauen, dann wäre man Jahre dran“ erklärte die
wissenschaftliche Mitarbeiterin Sanna
Charlotte Stegmeier von der Universität Potsdam und Humboldt-Universität zu
Berlin den Liechtensteiner Schülern.
Seit 2010 wird das „visual history archive“
länderübergreifend mit interaktiven Zeitzeugnissen aufgebaut. Grund dafür ist,
dass die letzten Überlebenden des Holocausts nicht mehr lange unter uns sein
werden. Das interaktive Projekt besteht aus einem aufwendigen Prozess, so wurde
die charismatische Zeitzeugin Anita Lasker-Wallfisch, eine jüdische
Überlebende, die durch Glück das NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau überlebt
hatte, indem sie Cellistin im Orchester von Auschwitz war, in London
aufgenommen wurde. 22 Kameras filmten die Dame fünf Tage lang in einem grossen
Greenscreen-Raum. Insgesamt wurden ihr über 2.000 Fragen gestellt.
Lasker-Wallfisch wurde als die Russen immer näher nach Auschwitz, dem heutigen Oświęcim,
kamen, ins KZ Bergen-Belsen verlegt und am 5. April 1945 durch die Engländer
befreit. Fortan war sie eine sog. „displaced person“ und konnte nicht mehr
zurück in ihr altes Zuhause in Breslau (heute Wrocław in Polen). Sie sei
dann nach Israel emigriert und habe noch mehr Probleme gehabt, sagte sie im
Einleitungsvideo offenherzig.
Die 3a Klasse der Oberschule Eschen bekam
einen Nachmittag lang Gelegenheit, als erste Schulklasse die Betatestphase des
aufwendig programmierten „Dimensions-in-Testimony-Systems“ zu testen. Die
Schülerinnen und Schüler konnten der Zeitzeugin über die Plattform Zoom quasi
in Echtzeit ihre Fragen stellen und bekamen eine augenblickliche Antwort. Im
Anschluss wurde über die Erfahrungen mit der Interaktion aus Schülersicht
gesprochen. Auf der iWitness-Webseite wurden die Notizen und Recherchen der
Lernenden kategorisch abgespeichert und standen somit für eine Nachbereitung
und Vertiefung des Gelernten zur Verfügung. Die Pilotphase soll mit Ende Januar
2021 abgeschlossen werden und dann für den schulischen Projektunterricht
weltweit genutzt werden können. Weitere Informationen unter https://iwitness.usc.edu/sfi/. (koe)

